Was haben Führung und Sexualität miteinander zu tun?
Zunächst möchte ich beide Situationen, die der Führung und die einer sexuellen Begegnung mit einem Tanz vergleichen. Was macht einen guten Tänzer und eine gute Tänzerin aus? Er sichert den Raum (vermeidet Zusammenstöße), führt taktsicher und souverän und berücksichtigt auch die tänzerischen Fähigkeiten der Frau. Sie überlässt ihm die Führung und füllt die angebotenen Räume mit ihren Kapriolen kreativ und attraktiv aus. Während des Tanzes genießen beide das Paarsein, sie zeigen sich einander - spüren sich und lassen sich spüren - und sind sich bewusst, dass sie auch nach außen als Einheit sichtbar sind. Im Anschluss bedanken sie sich für die gemeinsame Zeit. Was macht gute Führung aus und was hat das mit Sexualität zu tun?
Im Führungskontext ist klar, wer führt und wer sich führen lässt. Beide können am Gelingen dieser (Arbeits-)Beziehung ihren Beitrag leisten: Die Führungskraft weiß, wo es lang geht (gibt Ziele vor) und sorgt dafür, dass die Mitarbeiter die optimalen Bedingungen vorfinden, ihren Anteil am Gelingen eines Projektes zu leisten. Sie wollen sich sicher, ausreichend kompetent und wertgeschätzt fühlen und im Team gerne ihren Beitrag leisten.
Der Zweck dieser Arbeitsbeziehung ist allen Beteiligten bewusst: Projekte termin-, kosten- und qualitätsgerecht zu bearbeiten und damit als Team die gesetzten Ziele für das Unternehmen erreichen. Und: Als Menschen eine Zeit miteinander zu verbringen, in der für jeden das Geben und Nehmen (Leistung und Gehalt, Engagement und Wertschätzung) in Einklang und individuelle Entwicklung möglich ist. Kurz: Eine Zeit zu erleben, in der sich alle wohl, wirksam und wertgeschätzt fühlen und an die sie gerne zurückdenken werden.
Während der Arbeit (in der Gegenwart) vergisst man häufig, die Zeit zu genießen. Aber im Rückblick kann man ganz genau sagen, wie gut die Zeit war - was gepasst hat und was nicht. Lassen Sie also als Führungskraft (aber auch als Mitarbeiter!) das Nachher Ihr Maßstab sein. Was brauche ich, um mich wohl gefühlt zu haben und um sicher zu sein, dass ich eine gute Führungskraft war? Das gleiche gilt für sexuelle Begegnungen.
Was braucht es, damit sich anschließend beide wohlfühlen? Jeder möchte als er/sie selbst gesehen werden, möchte SICH im Zusammensein mit dem anderen wohl fühlen. Möchte das Gefühl haben, richtig zu sein und in ehrlichem und verbindlichem Kontakt zu sein. Mal eher in der gestaltenden Rolle - mal eher in der empfangenden. Die Hingabe ist ein ebenso wichtiger aktiver Beitrag wie die kreative Gestaltung im Liebesspiel. Ein tanzendes Paar wird auseinanderfallen, wenn einer führt, der andere sich jedoch nicht führen lässt.
Für beide Beziehungen (Begegnungen) ist es entscheidend, alle vier archetypischen Qualitäten zur Verfügung zu haben und sie situativ einzusetzen.
(S:) Die Verbundenheit (Loyalität) und Hingabe bzw. das aktive (und bei Bedarf Führung-einfordernde) Geführtwerden. Das Wissen, dass man (als FK, MA oder im Bett) immer mit Menschen zu tun hat. (Bedeutet: Fehler machen ist erlaubt, es darf aber nicht vergessen werden, darüber ehrlich und wertschätzend zu reden und daraus zu lernen.)
(W:) Klarheit, Mut, Selbstsicherheit, Experimentierfreude und Orientierung am Ziel (erfolgreicher Projektabschluss und eine gute Zeit miteinander zu verbringen).
(N:) Verantwortung für den eigenen Beitrag am positiven Wir-Gefühl und die Gesundheit aller Beteiligten übernehmen. Annahme der Macht, um nach innen und nach außen weitsichtig die Systemgrenzen (Paar, Team) zu sichern. Und das Bewusstsein für eine würdevolle Begegnung (auch nach Beendigung der Beziehung) zu sorgen.
(O:) Offenheit für Veränderungen und kreativer Umgang mit Störungen. Einverständnis damit, dass alles in Veränderung (Entwicklung) ist und dass alles seine Zeit hat und damit auch einen Abschluss. Ebenso wichtig ist die Auflösung der archetypischen Schattenaspekte in Führung und im Sex.
(S:) Sucht, Unersättlichkeit, Verantwortungsverweigerung.
(W:) Rücksichtslosigkeit, Getriebensein oder Antriebslosigkeit.
(N:) Konturlosigkeit, Tyrannei, Starrsinn, nicht ansprechbar sein.
(O:) Subtile Manipulation und Falschheit.
Die Auswirkung dieser Schattenaspekte kann jeder bestätigen, der schon mal schlechte Führung und eine unbefriedigende Nacht erlebt hat. Sich wohl zu fühlen ist sowohl für Führungskräfte als auch für Liebende nur möglich, wenn sie wissen, womit sie sich wohl fühlen und wenn sie dies wirksam herbeiführen können. Wer nicht weiß, womit er sich wohl fühlt, wird unablässig eine latente Unzufriedenheit mit sich herumschleppen (und andere dafür verantwortlich machen). Wichtig ist also für beide, sich möglichst im Klaren zu sein, was er für sein Wohlbefinden braucht - und dies verständlich kommuniziert.
Da wir als soziale Wesen (schon gar als Führungspersönlichkeit oder als Sexpartner) nicht isoliert leben, ist es unerlässlich auch dafür zu sorgen, dass sich auch die Menschen in unserer Umgebung wohl fühlen. Dafür erhalten wir offen oder verdeckt immer ausreichend Signale und Informationen, auf die wir nur aufmerksam zu achten brauchen.
Es ist also immer ein gemeinsamer Tanz, bei dem jeder das Seine beisteuert und auf die Signale des (der) anderen achtet. Und wenn einer der Beteiligten auf diese Signale nicht achtet, muss der andere diese eben deutlicher machen. Aus Eigennutz und um des gemeinsamen Ganzen willen. Schließlich fühlen wir uns auch nur dann wohl, wenn wir ein sicheres Gefühl für unsere Wirksamkeit in der jeweiligen Rolle haben. Dazu muss die Art der eigenen Führung bewirken, dass Ziele erreicht werden, dass das Team gut zusammen arbeitet und dass sich ausscheidende Mitarbeiter für die gemeinsame Zeit bedanken.
Die "Wirksamkeit" im Sex kann man am Blickkontakt beim Frühstück ablesen. Wenn sich beide wohl fühlen stärkt Sexualität die Bindung und ermöglicht, dass sich beide noch weiter öffnen und sich ehrlich zeigen. "Wirksame" Sexualität ist eine Form der mentalen, körperlichen und seelischen Kommunikation (ein kreativ orchestrierter Tanz), die Raum und Zeit für individuelle und gemeinsame Entwicklung schafft. Sie berührt und beflügelt. Zum Abschluss noch ein Hinweis auf das Ego. Es wird in vielen Kulturen und Schulen unterschiedlich beschrieben. Ich möchte es als die Instanz beschreiben, die für das eigene (im Gegensatz zum kollektiven) Wohl im Einsatz ist. Es hat klare Grenzen (die eigene Haut, das eigene Büro, der eigene Kontoauszug, …) und macht eben den Unterschied zwischen Mir-geht’s-gut und Uns-geht’s-gut. Das Ego ist elementar wichtig für die eigene Identität und die Abgrenzung zum Rest der Welt.
In Führung und im Bett darf es aber nicht zu mächtig werden (wozu ein Ego aber oft neigt!). Hier geht es in erster Linie ums intakte WIR, aus dem heraus sich dann alle Beteiligten wohl und gerne zugehörig fühlen. Dieses überschießende Ego zu bändigen ist eine Aufgabe, zu der wir wieder alle vier Medizinrad-Aspekte zur Verfügung haben. Fazit: Führung und Sexualität haben de facto nichts miteinander zu tun. Gute Führung und erfüllende Sexualität basieren jedoch auf den selben persönlichen Grundlagen, die uns in der Struktur des Medizinrades sichtbar werden.
Die Entwicklung der vier archetypischen Qualitäten und ihr situativer Einsatz, sowie die Neutralisierung der Archetyp-spezifischen Schattenaspekte stellt eine anschauliche und effektive Möglichkeit dar, sich in allen Lebensbereichen wohl und wirksam zu fühlen und ein Klima zu schaffen, in dem sich Menschen für die gemeinsame Zeit beda